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Briefe nach Brasilien
Sohren, den 27.10.1859
Viel geliebte Freunde, Schwäger,
Schwägerin, teure Verwandte!
Mit inniger
Sehnsucht haben wir, da schon alle, die mit Euch nach Brasilien gezogen waren, geschrieben
hatten, auch von Euch einen Brief erwartet, allein unser Hoffen und Warten
schien vergeblich zu sein.
Wie hat Eure
Schwester geheult und Tag und Nacht um Euch geweint. Selbst der Schlaf war von ihren
Augen gewischen. Im Traume war sie immer bei Euch, aber wenn sie erwachte,
wars ein bloßer Traum und die Betrübnis wurde immer größer. Gehört hatte sie
freilich schon, dass ihr glücklich in Brasilien angekommen waret, aber wie wird
es ihnen gehen, sind alle beisammen geblieben, sind sie noch alle am Leben, was
machen unsere alten Schwiegereltern und Eltern, gefällt es Ihnen in dem fremden
Lande oder nicht, das, waren immer noch Fragen, die alle Eure Verwandten noch
gern gelöst haben möchten?
Euer Eberts Patt und
seine Frau und Kinder, wo sie zu uns kamen sagten: wollen sie denn nicht bald
schreiben? Wir und alle Eure Freunde und guten Freunde hoffen mit großer
Geduld auf einen Brief von Euch.
Und da, endlich am
9. Dezember gegen Abend kamen Eure so lang ersehnten Briefe! Unser Haus (Gauer
Philipp) war den selben Abend zu klein, um alle die Menschen zu fassen, die
gerne hören möchten, wie es Euch ginge. Endlich da alle Briefe gelesen waren,
und manche Träne der Betrübnis und auch der Freude uns über die Backen gerollt
waren, da wurden unsere Herzen erleichtert und hoch erfreut, dass es Ihr doch,
so weit habt, dass Ihr selbst mit Eurer Lage zufrieden seid. Wir haben alle
inständigst Gott gedankt für den gnädigen Beistand auf dem großen Wasser und hauptsächlich
dafür, dass er Euch alle Eure Lieben gesund und munter erhalten hat. Nochmals gesagt:
Eure Briefe haben uns köstlich erquickt und unsere Schmerzen und Tränen
getrocknet.
Von Nahrungssorgen
seid Ihr ja frei . Ist noch etwas, was uns drückt, so ist es das, dass Ihr weit
auseinander wohnt in Brasilien aber auch manche Berge und manche Täler und
manches tiefe Wasser zwischen uns liegt, unser Herz schlägt heute für Euch in
Deutschland noch ebenso für Euch , als Ihr unter uns wohntet. Möge es Euch dort
besser ergehen, dass wir nur immer Gutes von Euch hören möchten, möge Unglück
und alles Böse stets von Euch bleiben. Bleibt nur fromm und haltet Euch recht,
denn solchen wirds zuletzt immer wohl ergehen. Nun wollen wir Euch berichten,
wie es hier steht und was sich seit Eurem Abgang hier zugetragen hat.
Mein Bruder Philipp
hat Fabers Mahlchen geheiratet und mein Vater meinte, wir können erst mal auch
in unserem Hause beisammen leben, aber das müsste nicht lange passieren und
auch in der Folge nur. Mein Vater musste teilen und mein Bruder Philipp wollte
sein Vermögen und zog damit in Scheidweilers Haus hin, dort wohnt er zunächst.
Meine Altmutter ist
voriges Frühjahr gestorben. Als mein Schwager Heinrich Peter bei seinem Abschied
von seinem Bruder in Würrich Abschied nahm, läuteten gerade des Abends die Glocken
in Würrich, da sagte mein Schwager: Das ist das letzte Mal, dass ich diese
Glocken höre!. Das ging seinem Bruder so zu Herzen, dass er ganz melancholisch
wurde und ein finsterer Trübsinn ihn umschlich. Die Folge war die : 8 Tage
später war (Pág. 290) er in seinem Trübsinn in ihren Brunnen gesprungen und hat
sich erhängt. Ein hartes Schicksal!
Letztes Frühjahr als
ich gerade die eigene Haushaltung antreten musste, hat mich ein harter Schlag
getroffen. Ich bin nämlich um eine Kuh gekommen, die beihah am Kalben war, und
wenigstens einen Wert von 45-48 Talern hatte.
Sonst hatten wir
gerade in den Jahren, die Ihr fort seid, sehr gute Kornjahre, desgleichen sie seit
langer Zeit nicht mehr waren; auch sind die Kartoffeln sehr gut geraten und die
Faulnis hat beinahe aufgehört. Die Preise und alle Lebensmittel sind jetzt
derart, dass jedermann sich leicht seine Lebensbedürfnisse kaufen kann. Die Not,
wie sie in früheren Jahren war, kennt man gegenwärtig nicht mehr. Nun aber noch
etwas, was uns sehr bekümmert und schon wieder Gedanken gamacht hat, ist das,
dass Ihr von Euren und unseren Eltern und Schwiegereltern gar nichts
geschrieben habt, als dass sie gleich bei ihrem Einzug ins Land bei Schwager
Heinrich Peter geblieben wären, in der Nähe von Vetter Gölzer.
Könnt Ihr denn Ihnen
nicht sagen, dass Ihr geschrieben habt und sie hätten uns doch auch wie Ihr,
Nachricht geben können, wie es ihnen ginge, oder sie hätten uns einen Brief
schreiben können, das befremdet uns sehr und wie verlangt doch ihre Tochter
nach ihnen; wie gerne möchte sie doch auch wissen, wie es dem lieben Vater und
Mutter ergehe? Ihr könnt Euch gar nicht denken, welchen Kummer uns solche
Ungewissenheit verursacht. Lasst sie es doch wissen.
Und nun noch paar
Worte von Eurem Patte und lieben Vetter Gölzer. Wie manche heiße Träne habe ich
und all die Meinen schon um Euch geweint. Wir haben unendlich Dich Hansjakob
und die Deinen, als Glieder meiner eigenen Familie betrachtet, und es war mir
beim Abschied, als ging ein Stück von meinem Herzen weg. Wie haben wir geweint
und gefleht und gebetet, dass der liebe Gott Euch immer beschützen möge und
Euch wohlbehalten in das Land bringen möge, wonach Euer Wünschen und Sehnen
stand. Nie werden wir Euch vergessen, auch Dich guter Adam nicht. Es vergeht heute
noch kein Tag, wo Ihr nicht bei uns in freundschaftlichem Einvernehmen seid.
Wie königlich haben wir uns gefreut, ja ich habe vor Freude geweint wie ein
kleines Kind, als ich Deinen lieben Brief las un sah , dass es Euch gut ginge. Möge
es Euch immer gut, immer besser gehen.
Ferner möchte ich
gerne wissen, was sich aus Eurem Brief nicht erkennen lässt. Wie konnten und unter
welchen Verhältnissen und Umständen Deine oder Eure Eltern bei dem Heinrich
Peter leben? Dass Letzterer sich eine aufgebaute Goldmine gekauft hat zu hohen
Preisen, habe ich nur gehört?
Leben seine
Schiegereltern mit ihm auf der selben Kolonie? Oder haben sie Anteil daran oder
haben sie sich sonst was eigenes angegangen, wovon sie leben? Oder versorgt der
Heinrich Peter sie mit allem, weil wir selbst von ihm noch nichts wissen, so
möchten wir von Euch darüber Aufschluss haben.
Ihr möchtet wissen,
wie es mit der Sonnenfinsternis, die bei Euch so stark war, hier war sie ganz gewiss
auch am 7. September, aber unsichtbar. In der Nacht vom 18.auf den 19. November
hatten wir hier und überhaupt auf dem ganzen Hunsrück einen vollständigen
Eisregen. Sollen sich alle Bäume, Blätter mit Eis belegt und die meisten und
schönsten Bäume in den Dörfern wie in den Wäldern geknickt und gerissen worden.
Es ist ein schauderhafter Anblick gewesen, dergleichen sich sein menschengedenken
nicht erlebt worden ist.
Der Dillenburg von
Altlay ist wieder hier. Erwähnt Brasilien nicht, jedoch versteht ers noch nicht
ganz. Wie man sich stellt, so geschieht einem. Und der Peter Meurer lässt Euch
sorglich grüßen und hat sich sehr gefreut, dass Ihr an ihn gedacht habt und hat
5 Sgr zu dem Brief gegeben, der 1 Taler 22 Sgr. geskostet hat.
Die Hottenbacher
haben sich auch sehr gefreut, als ich Peter Gauer und Gölzer ihnen sonntags vor
Weihnachten die Briefe brachte. Sie nehmen auch den erwähnten Anteil an Eurem
Wohlgehen. Sonst ist noch alles munter bei Ihnen, außer dass Schwager Jakob vor
2 Monaten gestorben ist. Er hat viel gelitten über einhalb Jahr krank gelegen. Ein
harter Fall, fünf kleine Kinder, von denen das Älteste 11 Jahre al ist.
Schwager Adam hat geheiratet, er hat eine Frau aus Schauren Michael Gerhardt aus
Stipshausen hat den Wunsch geäußert. Er wollte und wünsche, er wäre bei Euch.
Dem Bruder Peter
haben wir alle Briefe nach Saarlouis schicken müssen, und er hat sich daraufhin
fest entschlossen, sobald seine Dienstzeit um ist und seine Papiere in Ordnung
sind, dann wolle er in Gottes Namen auch seine große Reise antreten und zu Euch
kommen. Das wird ein fröhliches Wiedersehen nach jahrelanger Trennung geben!
Wenn Ihr wieder
schreibt, dann schreibt auch auf einem Bogen wofür Euer Brief, der kostet nur (Pág.
292) 17 Sgr. Und die Briefe von fremden Leuten, die lasst Ihr sie selbst nach
Hause schicken. Das geht alles außer Gewicht, und was brauchen wir für andere
Leute Porto bezahlen?
Schreibt uns
baldigst wieder, denn jedes Wort, was wir von Euch hören, ist uns lieb und wert.
Auch der Seresse und alte Bonn lässt euch herzlich grüßen. Auch der Schreiber
dieses Briefes, den Ihr gewiss schon erwähnt habt, nimmt Anteil an Eurem
Wohlergehen und hat sich sehr gefreut über Euren Fleiß und Ausdauer, denn was
Ihr gesagt habt, wie es Euch von Anfang ging, das lässt sich ruhiger schreiben
als durchleben. Ihr habt doch wohl manch schlaflose Nacht gehabt und mancher
Kummer mag Euer Herz bestimmt haben, aber Euer Fleiß und Ausdauer hat alle Hindernisse
besiegt. Dafür sei Gott gedankt! Lebet denn herzlich wohl und gedenket zuweilen
an Euren alten Freund Müller, Lehrer. Er und seine Familie lässt Euch herzlich
grüßen.
Mitgearbeitet haben:
Ingrid Lorenz Hecken
São Leopoldo, den
22. April 89
Liebe Freunde und
Verwandten
Schon zwei Briefe
habe ich an Euch geschrieben, aber bis jetzt noch keine Antwort bekommen, nur
der Eine den Ihr an meinen Schwiegersohn geschrieben habt, derselbe hat euch benachrichtigt
von dem Tode meines seligen Mannes, mit schwerem Herzen ergreife ich die Feder
nochmals, um Euch wissen zu lassen, wie es mir mit meinen Kindern ergeht, Ihr
mögt es ja gerne wissen, liebe Verwandten, ich kann Euch nicht viel gutes
Schreiben. Ich stehe in einer schwer bedrängten Lage, ich bin schwächlich und kränklich,
ich leide sehr an Nervenschwäche, der Tod meines geliebten Mannes hat mich sehr
gedrückt.
Als ich meinen Mann
geheiratet habe, hatte er 4 Mädchen was Ihr auch wohl wisst, die sind alle
verheiratet, die Jüngste davon war 4 Monate auf den Tag verheiratet, als Ihr
Vater gestorben ist.
Ihr Mann is Pfarrer,
derselbe der Euch geschrieben. Er ist auch Lehrer und ernährt sich ganz schön,
die anderen ernähren sich auch und leben glücklich. Jetzt stehe ich mit sechs
unmündigen Kindern allein , drei Mädchen und 3 Knaben, die älteste Tochter
Augustina wird bis August 18 Jahre alt die zweite Amalia ist 16 Jahre der
dritte Jakob war am 1. April 14 Jahre, das vierte Mathilde is 12 Jahre, der 5te
Fritz is 6 Jahre alt, der 6te Konrad ist 4 Jahre alt. Jakob und Mathilde sind
beide am April dieses Jahres Confirmiert geworden, dieses hat mich sehr vieles Geld
gekostet.
Liebe Verwandten es
geht mir sehr schlecht, mein Mann hat viele Schulden hintelassen. Er hat auch
Vermögen gelassen, dasselbe besteht in Häuser, die sind an die Gläubiger
getheilt worden. Das Inventar hat mich vieles Geld gekostet und ist bis jetzt
ist noch nicht im reinen, der liebe Gott wird wissen, wie es mir meinen Kindern
noch gehen wird. Ob ich Obdach behalten werde oder nicht?
Ich habe schlechte
Verdienste. Ich habe ein kleines Geschäft, die Abgaben sind sehr schwer, die
Verdienste schwach, wir arbeiten alle fleißig. Augustina näht in einer
Damenschneiderei, Amalia is zuhause kocht, wascht, backt jeden Tag einen Ofen
voll Brod zum Verkauf, Jakob und Mathilde wollte ich noch eine Zeit in die
brasilianische Schule schicken .
Jakob soll eine
Profission lernen aber bis jetzt weiß er noch nicht welche. Ich bestreite das Geschäft
und nähe dabei so sind wir alle in Beschäftigung, aber trotzdem weiß ich noch
nicht wie wir es einrichten sollen, wenn man nun gar keine Stütze und keinen
Trost hat.
Die vielen Unkosten
die ich hatte für die Krankheit von meinem Mann die Begräbniskosten belaufen
sich zirka 300000 und Inventar ist noch mehr wahrscheinlich kommen die Häuser noch
zur Versteigerung die Kosten kommen alle wieder auf mich, ich weiß nicht was es
gibt bei dieser schlechten Zeit.
Jetzt liebe
Verwandten habe ich Euch ziemlich alle meine Verhältnisse mitgeteilt. Davon
könnt Ihr Euch schon einen Begriff machen, wie es uns geht, wären wir näher
zusammen, so könnte ich Euch meine Noth besser klagen und Ihr auch Eure uns.
Ich möchte auch
gerne wissen wie es Euch allen geht, wie viele Geschwister und Verwandten von
uns noch am leben sind, mein seliger Mann hatte immer noch Muth in die Heimat zurück
zu reisen, ich sollte immer mit dabei sein, aber leider wir sind nicht dazu
gekommen, der liebe Gott wollte nicht was Gott tuht das ist wohl gethan. Ich
und meine Kinder haben den (Pág. 294) Schmerz zu tragen.
Für heute muss ich
schließen. Es grüßet Euch alle herzlich Eure Schwägerin und Tante nebst Euren
Kindern alle viele Grüße von meinen Kindern an Euch alle.
Achtungsvoll
Va (Ww.) Amalia Hemb
Bitte um baldige
Antwort, an mir soll das Schreiben nicht fehlen.
Amalia Philippina geb. Rieht wurde
bereits in Brasilien geboren und heiratete am 2. agust 1868 den Witwer Jakob
Hemb aus São Leopoldo.
Mitgearbeitet
haben:
Wilfried Theiss
Anekdote Um das Jahr 1916
herum machte das Koloniegebiet gesellschaftlich gesehen eine recht bewegte
Zeit durch. Es war die Zeit, in der der erste Weltkrieg das Leben von
Angehörigen daheim in der alten deutschen Heimat forderte. Im Siedlungsgebiet
von Santa Maria do Mundo Novo war Deutsch absolut verboten. Es galt: - Es ist verboten
Deutsch zu sprechen. Es ist verboten Deutsch zu sprechen. Das
traf unsere tapferen Einwanderer hart und alle achteten peinlichst darauf,
dass die Spitzel der
Regierung sie nicht beim Deutschsprechen ertappten. Pastor Stremme hielt seine Gottesdienste in holländischer Sprache, die dem Deutschen des Hunsrück, das in Santa Maria do Mundo Novo gesprochen wurde, etwas ähnlich ist, auch wenn es die Sprache derer war, mit denen sie sich |