(pág. 296)
Auswandererbrief
Von der Familie Friedrich Konrad, Nieder kumb, Alemanha
São Leopoldo, 24. Juli 1859
Lieber Vater, Schwiegereltern,
Geschwister, Schwäger und Schwägerinnen!
Da ich, als ich den
letzten Brief schrieb, nicht viel Zeit hatte, so will ich Euch denn jetzt
nähere Auskunft erteilen. Wir waren ja wie Ihr wisst, bis jetzt in der Pikade
(Bigather) Rodenzia, aber nicht mehr bei dem Konrad aus Altweidelbach, sonder bei
einem Simon aus Hermeskeil, welcher 30 Jahre hier ist. Weiter in den Urwald
wollte ich nicht, denn auf einem solchen frischen und ganz unbewohnten Felde,
da sieht es noch dornig aus. Da ist nichts als Wald, keine Schule und keine
Kirche. Auch ist das Land noch ziemlich schlecht. Da bin ich dann vier Wochen
vor Pfingsten nach St.(Sankt) Leopoldo. Da habe ich angefangen zu arbeiten. Bei
Herrn Klee gegessen und geschlafen, ohne ihn zu bezahlen. Am Tage vor Pfingsten
sind wir wieder zurück in den Wald gereist, haben dort unseren Mais (Milgen)
eingetan und verkauft und zwar 23 Säcke, den Sack zu 1 Millreis und 10 Vinténs
(Wendin). Wir hatten uns auch ein Schwein gekauft zu 10 Millreis und fett
gemacht von ungefähr 175 Pfund (87,5 gr).
Am 22 Juni zogen wir
nach St Leopoldo, daselbst wohnen wir in Miete, wofür wir monatlich 8 Millreis
zu entrichten haben. Einen Rock zu machen kostet 7 bis 8 Millreis, eine Hose 1 Millreis
und 30 Vinténs(Wendin) und eine Weste 2 Millreis. Wir haben uns ein Pferd
gekauft von Herrn Praß aus Altweidelbach zu 24 Millreis.
Am 16. Juli kam
Engelmann von Bergenhausen von Argenthal hierher. Sie hatten eine gute Reise,
können sich auch noch beide der Gesundheit erfreuen. Engelmann vom Bergenhausen
hat uns vielmal gegrüßt von Euch, was uns sehr erfreute, nur dass schmerzt uns
sehr, dass Ihr noch immer unwohl seid. Das ist vielleicht durch mich, weil ich
Euch hintergangen habe.
Lieber Vater! Es war
Unrecht von mir, ich hätte es Euch gerade heraus sagen sollen. Nun lasst alles
Dahingeschundene denn sein und denket: Gott hat es so gewollt. Wir haben
zusammen ein Herz und eine Seele, und das ist besser denn vieles Geld und eine
Frau, welche man nicht von ganzem Herzen lieb hat. Lieber Vater, es hat uns
sehr erfreut, als wir in Eurem Briefe lasen, dass Ihr unseren Wunsch erfüllt
habt.
Denn ohne das hätte
ich nicht froh und glücklich leben können, es hat mich Tag und Nacht geschmerzt.
Indesse müsst Ihr aber nicht denken, dass die irdischen Verhältnisse es
forderten uns zu heiraten. Nein das war nicht der Fall, wie wohl es nach unserer
Abreise so geheißen hat. Wir können Gott zum Zeugen anrufen, dass es geschehen
ist aus reiner Liebe gegeneinander.
Ihr habt aber
garnichts von unserem Christian geschrieben. Es hat mich gefreut, dass mein Pätchen
noch an mich denkt. Kauft ihm auf meine Rechnung einen neuen Anzug. Meiner
Schwester Wilhelmine wünsche ich ich, dass sie mit ihrem Mann recht einig und
glücklich lebe. Es ist mir leid, dass meinem Schwager in Bubach seine Kur wieder
misslungen ist.
Nun liebe
Schwiegereltern! Aus Eurem Briefe haben wir ersehen, dass Ihr noch alle gesund seid.
Darauf war Lottchen auch wieder ganz zufrieden, denn sie sagte immer: Mein
Vater ist tot! Welches nun Gott sei Dank nicht war. Ihr schreibt uns, Ihr
hättet den Inhalt unseres Briefes genügsam verstanden, wir möchten aber wissen,
wie Ihr ihn verstanden habt, auch das soviel über uns gesprochen (pág. 298) worden
sei. Das macht uns aber keine Sorgen, denn wir brauchen uns vor niemandem zu
schämen und dann können die Leute sprechen was sie wollen, Gott weiß es am
besten.
Liebe Schwägerin
Settchen! Sie hätte aber uns vielmals schreiben können, von unseren Kameraden und
wie es ihnen geht. Sie schreibt, sie wollten zu uns kommen, welches wir aber
noch nicht glauben können.
Lieber Bruder
Heinrich! Eine bitte habe ich an Dich. Wenn Du Geld und gute Gelegenheit hast, so
schicke mir ein Pfund (6) oder soviel Du kannst. Gute Pariser Nähseide, denn
diese ist sehr teuer hier oder lasse sie durch Herrn Rech besorgen.
Von Konrad
Solzbacher und seiner Frau habe ich bis jetzt noch nichts gehört und von dem
allen, was Ihr sonst wissen wollt, kann ich Euch nichts schreiben, als das sie
soviel mir bekannt ist, gesund sind, was ich auch von uns wie von den Kindern
des Herrn sagen kann.
Nun noch, wie es
hier in dem Urwald ist. Es ist in dem selben ganz anders als die meisten Leute denken.
Ich habe mich zwar nicht viel geirrt, denn als wir durch die Eifel fuhren,
sagte ich: so sind auch die Häuser in Brasilien!.
Hier hat man lauter
kleine Häuschen, aber in alten Pikaden (Bigaden) auch Fenster und Fußboden. Alle
Leute, welche erst einige Jahre hier sind, haben weder Fenster noch Fußboden. Jeder
wohnt allein auf seinem Land, wo es ihm am besten passt. Das ist nun sehr gut,
denn da kann man unbedingt machen, was man will, ohne von einem Nachbarn gestört
zu werden.
Soll eine neue
Pikade (Bigartz) angelegt werden, so geht es hierbei also zu: Es ist hier alles
Wald. Allein er ist nicht wie draußen in Deutschland, denn hier sind Bäume und
Hecken durcheinander. An den Bäumen sind auch noch Stangen oder Winden
hinaufgewachsen, die oben mit den Bäumen zusammenhängen. Hat man unten einen
Baum abgehauen, dann fällt er nicht. Darauf haut man noch 3 bis 4 Bäume, aber
nicht ganz ab. Hierauf haut man einen Baum ab der oben frei ist und zwar so,
dass er auf die übrigen fällt und diese alle mit auf den Boden nimmt. Bevor
aber dieses geschieht, muss man das untere Buschwerk umhauen, welches auch wild
durcheinander hängt und zwar mit einer Hebe (Heebe)(8), die mit einem langen
Stil versehen ist
Ehe man anfängt zu
hauen, macht man sich ein Hüttchen, wie bei euch die Vogelstelle solche haben.
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Emílio Konradt, 83 Jahre, Nachkomme der
Familie Konrad Fortaleza, (jetzt Lajeadinho) Igrejinha. |
Das Essen muss man
aus einer anderen Schneise mitnehmen. Man kocht alle Tage schwarze Bohnen, Fleisch
und von dem Wurzelmehl(10), aber kein Brot. Morgens kocht man Kaffee, abends
Tee und das selbe Mehl welches man aber auch gut an jedem Tage essen kann. Hat
man 3 bis 4 Wochen gehauen, so lässt man es noch drei oder vier Wochen liegen
und dann bei recht heißem Wetter wird es am Mittage angestochen. Das gibt ein
fürchterliches Feuer. Ist es erloschen, so nimmt man die Hacke, macht Löcher,
in welche man Mais (Milgen) pflanzt. Hernach braucht man nicht mehr danach zu
sehe, bis sie zeitig sind.
Dann haut man noch
ein Stück zu Futter und Kartoffeln, dann muss aber das Holz nach dem Brennen zusammengelegt
und die oberen Wurzeln abgemacht werden.
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Der Anfang im
Urwald |
Eine Wohnhütte wird
auf folgende Art erbaut, da werden 6 Pfosten in den Boden gesetzt mit einer Gabel
oben, worüber man Stangen legt. Hin und wieder setzt man noch einen Pfosten,
lässt auch (pág. 300) zwei Löcher zu
Fenstern und eines zu einer Tür, macht eine solche mit Brettern, vorn drei Fuß
Länge und somit ist der erste Bau fertig, dann macht man sich auch Möbel; zur Bettstelle
schlägt man 4 Pfähle ein und legt Stangen darüber, als Tisch dient eine Kiste,
als Stuhl ein Brett mit drei Stempeln, dann baut man auf dieselbe Weise eine
Küche und einen Stall, dann hat man so lange eine Wohnung, bis sie umfällt und
hat nichts als ein Pferd, auch eine Ziege und ein Schwein.
Zum Bohnenpflanzen
haut man wieder Wald und legt auch das Holz ein wenig zusammen. Die Bohnen
werden ziemlich nahe gepflanzt. So geht es Jahr ein, bis die Plantage
(Blandasche) (11) größer wird, dann hält man aber auch mehr Vieh von allen
Sorten, Hühner und Schweine am mesten.
Sind nun so acht bis
zehn Jahre herum, dann hat man eine gute Hütte gezimmert mit Boden und Fensterladen,
denn in das dritte Gebäude kommen erst Fenster und was dazu gehört, dann hat man
aber auch schon schöne Obstbäume, denn nach 5 oder 6 Jahren tragen diese schon.
Apfelsinen gibt es
in Maße hier. Diese Bäume tragen zwei mal im Jahre. Die Früchte fallen nicht
ab, sondern hängen von Jahr zu Jahr am Baum. Es gibt hier auch deutsches Obst.
Wenn diese Jahre
herum sind, dann ist alles überstanden. Im zweiten oder dritten Jahre haben die
Leute schon zum Verkaufen und je mehr Kinder, je besser der Fortgang. Nach zehn
oder elf Jahren haben sie es so gut wie die alten Kolonisten, dann bleibt das
Erstgehauene liegen zur Weide, auf welches das Vieh so wohl im Winter als
Sommer geht.
Ich habe Euch nun
den Anfang so wie den Fortgang der Kolonisten geschildert und da könnt Ihr
denken wie es den Kolonisten draußen zu Mute ist. Daheim schöne Häuser und was
dazu gehört, hier nichts als ein stiller Wald. Da heißt es den frisch ans Werk
und dabei wird das Wort erfüllt: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein
Brot essen! Oder auf immer ein armer Mann sein.
Allein nach mehreren
Jahren arbeiten die Kolonisten bloß soviel sie Lust dazu haben. Wenn sie sich
dann eine Plantage (Blandasche) gehauen und ein Haus gabaut haben, so ist die
Arbeit leicht. Dann brauchen sie nicht Tag und Nacht arbeiten. Im Sommer
schlafen sie jeden Mittag bis zwei oder drei Uhr. Wenn es Nacht ist haben sie Feierabend
es mag viel oder wenig getan sein.
Jetzt was wie und
wann gepflanzt wird: Mais (Milgen) pflanzt man von August bis Januar. Wenn das
Spätjahr kommt, so stehen in den Plantagen nichts als Mais, denn wenn die
Bohnen beinahe reif sind, dann werden schon Maise hinein gepflanzt wie bei Euch
das Korn, der Hafer, der Flachs, die Erbsen und die Kartoffeln, so werden bei
uns Maise gepflanzt. Sie stehne in einer Entfernung von drei Schritten. Dann
macht man ein Loch mit der Hacke nicht tief. Die Kinder legen 4 Körner in ein
Loch, welches sie darauf mit dem Fuß zuscharren.
Ist das Land noch
ganz frisch, so hat man weiter nichts zu tun als den Stockausschlag abzumachen.
Ist es etwas älter und erzeugt Unkraut, so hackt man dieses ober über los. Sind
die Maise beinahe reif, so bricht man den Stock über dem Kolben ab zum Füttern.
Diese Kolben werden 10 bis 11 Fuß hoch. Jeder Kern gibt einen Stamm und dieser
einen bis zwei Kolben. An einem Kolben befinden sich 800 bis 1.000 Kerne. Sind
die Maise zeitig, dann werden sie unter dem Kolben umgebückt und so hängen sie,
bis man Zeit zum Brechen hat. Hier bringt man sie nach Hause und macht jeden
Tag ab, so viel man braucht. Dazu nimmt man eine Maschine, wer aber keine hat,
muss sie mit den Händen abreißen. Es stehen auch Kürbisse (Bobern) (12) und
Maniok (Manjack) (13) unter den Maisen (Milgen). Die Kürbisse pflanzt man mit
dem Mais und zwar sechs Schritte voneinander. Diese ragen über das ganze Land,
liegen manchmal dicht zusammen und werden so dick, dass man an dreien zu tragen
hat. Sie sind gut zum Kochen und zum Füttern und schmecken wie Gelbrüben. Der
Maniok dient zum Kochen, zum Füttern und als Mehl. Seine Wurzeln sind die von
denen Vetter Rech Euch sagte: Ich wünschte Ihr hättet einmal solche! Ein und einen
halben Fuß voneinander pflanzt man im August und September die Bohnen. Sie
werden behandelt wie die Maise zur Zeit ihrer Reife werden sie des Morgens
frühe gerupft und Mittags gedroschen oder ausgeritten. Man hat keine Scheune.
Es wird ein Tuch auf den Boden unter den freien Himmel gelegt. Zum Ausdreschen macht
man sich eine Tenne (14), in die Plantage trägt oder fährt die Bohnen darauf.
Man kann nicht
überall fahren, es ist hier zu gebirgig, dazu muss es in der großen Hitze
geschehen. Einer Aussaat von einem Quart (15) Bohnen bringt 8 bis 10 Säcke in
der Ernte. Sie (pág. 302) werden gekocht und schmecken sehr gut.
Kartoffeln gibt es
auch hier, das Vieh frisst aber keine. Die erste Pflanzung geschieht im
September, die zweite im Februar. Sie werden ziemlich nahe gepflanzt, aber
nicht gehäuft. Auch geraten sie ziemlich gut, faulen aber auch. Die dicken Bohnen
werden kurz vor der Ankunft des Winters im Monat Mai gepflanzt. Genau kann ich
es nicht sagen, aber so viel ich weiß das Korn, der Hafer, der Weizen und die
Gerste im Winter gesät. Gerste welche schwarz ist, gibt es hier.
Ein Quart ist hier
soviel, wie bei Euch ein halbes Simmer (16) und acht Quart sind ein Sack. Es
gibt auch deutsches Gemüse hier. Den Kappes (17) pflanzt man hier nicht wie bei
euch, man schneidet ihn ab, wonach er wieder ausschlägt. Will man ein frisches
St:ück bepflanzen, so schneidet man Zwacken (18) davon ab und steckt sie in den
Boden.
Das Feld wird hier
weder gepflügt noch gedüngt. Nimmt das Unkraut überhand, so lässt man das Feld
6 bis 7 Jahre liegen, worauf es nach 2 Jahren schon mit Hecken bewachsen ist,
diese haut man ab, bereitet das Feld, welches danach wieder schöne Früchte
trägt.
Mit dem Füttern des
Viehes haben die Leute wenig Umstände. Die Schweine bekommen morgens und abends
ein wenig Futter damit sie sich an das Haus gewöhnen. Selbst wenn sie Junge
haben bekommen sie nichts, wodurch aber auch viele umkommen. Gemästet wird ein
Schwein in dem es morgens und abends Mais (Milgen), Kürbisse (Bobern) und
kaltes Wasser bekommt.
Die Kühe bekommen
auch zu diesen Zeiten dieses Futter und werden dann gemolken. Sie geben aber
nicht so viel Milch wie in Deutschland. So lange sie gemolken werden, saufen
auch die Kälber, geschieht beides nicht mehr, so werden die Kühe hinausgejagt
und müssen sich ernähren.
Die Pferde bekommen
bloß im Winter Mais (Milgen) und Kürbisse (Bobern), wenn sie nach Hause kommen.
Allein im Sommer, wenn sie auch den ganzen Tag gearbeitet haben bekommen sie doch
nichts.
Ihr irrt, wenn Ihr
denkt, man hätte bei uns die Pferde zum Spazierenreiten. Man hat sie ganz
nötig, denn der Weg ist sehr schlecht. Ist er noch neu, so stehen die Stöcke
noch da. Ist er älter, dann ist er löcherig und schmutzig, da kann man ohne
Pferd nicht durchkommen. Man trifft Flüsse an, aber keine Brücken darüber; so
wie auch steinige Wege.
Allein unsere Pferde
sind zu diesen Reisen trefflich geeignet, sie gehen durch Flüsse, über schmale
Brücken, durch Hecken, über umgehauene Bäume und über Pfade, die so steil sind
wie das Pfädchen über den Simmerschen Hüllenberg. Auch braucht man sie zum
Transportieren. Allein die Frucht wird meistens durch Maulesel in die Stadt
gebracht.Der schlechten Wege halber sind die Pferde nicht beschlagen Man kann
auch nicht viele Besuche abstatten, wenn man gerade kein Geschäft dort hat. Hat
man kein Pferd, so muss man barfuß gehen was ich auch schon getan habe. Denn
mit Stiefeln oder Schuhen kann man hier nicht durchkommen.
Ist der Boden der Plantage (Blandasche) voll Holz, so geht man dara