(pág. 348)
Eine der reichsten Kulturquellen
in der Stadt Igrejinha ist zweifellos Lily Clara Koetz, geboren
am 18. Juli 1920. Diese Frau, liebevoll bekannt als dona Clara ist eine
vortreffliche Forschungsquelle für die Gemeinde Igrejinha, denn sie vermittelt noch heute ihre wertvolle Mithilfe, erinnert an Daten und erzählt
Geschichten, die sie erlebt und erfahren hat.
Geboren in Igrejinha als einziges Kind
von Gustav Arthur Koetz und Johanna Brusius Koetz, der Vater Bauer und die
Mutter Näherin, erlebte ihre Kindheit mit den Eltern im Hause ihrer Großeltern
väterlicherseits. Schon sehr früh hatte sie Kontakt mit der deutschen Sprache
und Kultur, denn ihr Vater und der Großvater hatten die Gewohnheit, nach dem
Abendessen die Neue Deutsche Zeitung zu lesen. Auch hatten sie die Bibliothek
der Unterhaltung und des Wissens abonniert. Die Familie - wie die Mehrheit
der Familien in Igrejinha - sprach den Dialekt. An den warmen Sommerabenden
setzten sie sich oft in den Garten vor dem Haus und sangen deutsche Lieder,
während sie die Leuchtkäfer beobachten.
Clara besuchte die Primarschule, ihre
Lehrerin war Berthalina Kirsch. Sie hatte ein sehr gutes Verhältnis mit ihrer
Lehrerin, sodass diese, nach dem Abschluss des 5. Schuljahr, Claras Eltern bat,
ihre kleine Schülerin als Telefonistin bei ihr arbeiten zu lassen, wenn sie
Unterricht hatte. Dona Clara erinnert sich, dass sie bei ihrer ersten
Arbeitsstelle 15,00 Milreis Monatsgehalt bekam.
Den Unterricht bei Pfarrer Irmler
besuchte sie weiterhin und das gab ihr die Möglichkeit, mit 14 Jahren den
Haushaltungskursus in Alt-Hamburg, im Evangelischen Stift zu besuchen, der 1
Jahr währte.
Mit 16 Jahren kehrte sie in das
Internat des Evangelischen Stifts zurück, um den Kursus für Kindergärtnerinnen
zu alsovieren. Der praktische Unterricht fand in dem Kindergarten im Gebäude
des alten Stiftes statt.
Im Jahre 1938 durchlief eine
Nationalisierungswelle Brasilien und alle Schulen, die Deutsch unterrichteten,
wurden geschlossen, auch die Kindergärten. Da Clara den Kursus als Beste
abgeschlossen hatte, wurde ihr eine Stelle als Internatshilfe im Stift
angeboten während ihre Kolleginnen sich anderweitig Stelle als Erzieherinnen
suchten.
Für das Stift begann eine sehr schwere
Zeit. Die Leitung der Schule, die in den bewährten Händen einer deutschen
Diakonisse lag, musste von einem Tag zum anderen einer Brasilianerin übergeben
werden, damit sie nicht enteignet und geschlossen würde, wie das katholische
Lehrerseminar nebenan. Vom Unterrichtsministerium wurde eine Person abgeordnet,
die im Stift wohnte und Tag und Nacht darüber wachte, dass kein Wort Deutsch
gesprochen wurde. Der Name Evangelisches Stift wurde in Fundação Evangélica
abgeändert.
Clara Koetz mit ihrem Kindergarden (1.links) |
Im Jahre 1944, als Schwester Lieselotte
ihren Dienst als Kochlehrerin aufgab, wurde (pág. 350) Clara aufgefordert, diesen zu übernehmen und hatte nun
täglich Gruppen von 12-15 jungen Mädchen in die Kochkunst einzuführen und ihnen
das Mittagsessen für fast 200 Personen zuzubereiten.
Durch eine dieser Schülerinnen, Enkelin
von Pfarrer Gottschald, wurde Dona Clara diesem für den soeben wieder
eröffneten Kindergarten der Stadtkirche in Porto Alegre empfohlen, sie nahm die
stelle an. Der Anfang war sehr schwer, da sie ja alles Unterrichtsmaterial
(Lieder, Fingerspiele, Kreisspiele) in deutscher Sprache gelernt hatte und nun
übersetzen musste. Als Helferinnen bei der Zahl von 80-100 Kindern hatte sie
immer 3 junge Mädchen, die die Arbeit kennelernen und dann in ihren Gemeinden
übernehmen sollten. Während der 9 Jahre ihrer Tätigkeit im Kindergarten von
Porto Alegre waren es 6 Mädchen aus dem Innern, 2 aus Porto Alegre und 2 junge
Diakonissen.
Neben ihrem Dienst im Kindergarten
beteiligte sich Dona Clara auch in der Frauenhilfe und in der Jugendgruppe. Als
dann die Sekretärin der Gemeinde aus Krankheitsgründen ausfiel, musste sie
manchmal auch im Sekretariat einspringen und war bald so überlastet, dass sie
die Stelle als Sekretärin von Pfarrer Karl Gottschald Junior annahm, der für
den finanziellen Sektor der Riograndenser Synode in São Leopoldo verantwortlich
war.
Als der Präses der Synode starb, wurde
Pfarrer Gottschald an seine Stelle gewählt. Im Jahre 1959 besuchte ein hoher
Beamter des Kirchlichen Außenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland (
mit Sitz in Frankfurt an Main) die Verwaltung der Riograndenser Synode und
schlug vor, Dona Clara auf eine Lehrzeit nach Deutschland ins Kirchliche
Außenamt zu schicken,hauptsächlich,um das Archiv der Synode organisieren zu
können.
In Frankfurt wohnte Dona Clara bei
einer kultivierten Dame, die sie mit den wichtigsten Gebäuden der Stadt (z.B.
dem Goethehaus) bekanntmachte und auch in Theater und Konzerte führte.
Geburtshaus von Heinrich
Peter Kötz |
An einem Wochenende fuhren sie nach
Idar-Oberstein, wo sie sich telefonisch schon bei Dona Clara Verwandten
angemeldet hatten. Als sie aus dem Bahnhof in Oberstein traten, rief gerade ein
Herr seinen Bekannten auf der anderen Straßenseite Gu Moie zu und Clara fühlte
sich (pag. 352) nach Igrejinha
versetzt und spürte mit Rührung die starke Verbindung zwischen dem Hunsrück und
dem ganzen Paranhanatal. Sie blieb 5 Monate in Frankfurt, lernte aber auch noch
viel von Deutschland kennen und konnte an einem deutschen Kirchentag in München
teilnehmen, zu dem sich 300.000 Evangelische einfanden. Nach ihrer Rückkehr
organisierte sie dann das Archiv der Riograndenser Synode.
Im Jahre 1969 starb der Präses der
Evangelischen Kirche lutherischen Bekenntnisses in Brasilien und Karl
Gottschald, der Vizepräses, musste ihn zuerst ablösen und wurde dann an seine
Stelle gewählt. Der Sitz der Kirche war in Porto Alegre und Dona Clara
begleitete ihn dorthin.
1972 starb Dona Claras Vater und
nachdem ihre Nahcfolge geregelt war, zog sie nach Igrejinha zu ihrer Mutter.
Mit ihr erlebte sie noch 7 schöne Jahre, dann war sie alleine, ohne den Vater,
dem sie als kleines Kind oft auf einem zahmen Pferd das Mittagsessen in die
weit entfernter liegende Plantage bringen musste und ohne die Mutter, die mit
dem schwachen Licht der Petroleumlampe so manche Nächte hindurch Trauerkleider
genäht hat, da bei der Beerdigung die Angehörigen des Verstorbenen alle in
Schwarz gehen mussten. Ihre Wohnung in Porto Alegre war vermietet und sie
entschloss sich, in Igrejinha zu bleiben. Hier hatte ihr Leben begonnen, hier
wollte sie es beenden.
Jetzt hatte sie aber auch viel Zeit zum
Reisen und blieb einmal 8 Monate in Deutschland. Sie besuchte viele Freunde und
Bekannte, aber ihr Standquartier war Idar-Oberstein und hier erlebte sie auch
einmal Weinachten mit viel Schnee. Sie konnte auch in Hennweiler das Haus kennenlernen,
aus dem ihr Ur-urgroßvater Brusius ausgewandert war.
Die Deutschen wollten auch viel über
Brasilien wissen und über die Nachkommen der ausgewanderten Hunsrücker. Clara
zeigte oft ihre Dias von hier. Meistens wurde hinterher eine Kollekte gesammelt,
die man ihr zum Dank überreichte. Sie verwandte das Geld nach ihrer Rückkehr
zum Kauf für Kopfkissen, Unterlagen für die Betten und gerahmte Bilder für die
Zimmer des Krankenhauses Guter Hirte in Igrejinha.
Mit ihrer Verwandten, Elfriede Lorenz, besuchte
sie eine Arbeitsgruppe von Frauen aus der Gemeinde Birkenfeld, zeigte ihnen
ihre Dias und erzählte von Brasilien und von den finanziellen Schwierigkeiten
in der Gemeinde. Daraufhin schickte die Frauengruppe von Birkenfeld mehrere Jahre
hindurch Beträge von Verkauf ihrer Handarbeiten für de Kindergarten der
Gemeinde in Igrejinha.
Elfriede Lorenz, in
einer typischen Hunsrückland schaft Dona Clara in seine Haus |
Elfriede war auch Vorsitzende des
Gustav Adolf Werkes des Kirchenkreises Birkenfeld. Sie kannte Brasilien von
einem Besuch im Jahre 1977 und suchte unter den Anträgen um finanzielle (pág. 354) Hilfe, die im Gustav Adolf Werk
einliefen, immer ein Projekt von Brasilien für die Hilfe des Kreises Birkenfeld
aus. Darunter war z.B. ein Antrag auf Beihilfe zum Pfarrhausbau in der
Vorstadtgemeinde von Igrejinha, 15 de Novembro. Als einmal ein Überschuss von
den gesammelten Geldern zu vergeben war, durfte Clara eine Bitte aussprechen für
Igrejinha. Sie erzählte, wie dringend eine Friedhofsskapelle gebraucht würde
und konnte dann nach ihrer Rückkehr dem damaligen Bürgermeister Lauri Krause
einen Scheck über 1.000,00 Deutsche Mark überreichen.
Die Hunsricksprooch
Die
Hunsricksprooch, ehr liewe Leit, macht
merschtendeils ach iwwerall Freid, weil jerermann
mennt un es is gornet so die Sprooch wär
nor fa ze lache do. In Wohrheit awwer
is es en Sprooch mit viele
Unnerdialekte noch: In Idar sprecht
mer annerscht wie in Oberstein, in Grejinher net
wie in Hamborch so fein. Un dann gebts noch
so dumme Leit, wo menne s wär
net meh Moore heit, die Sprooch vun
unsre Wowo ze redde, weil mer dohie jo
breseljonisch hätte un weil mer wenn
mer deitsch spreche wollt - wie in Deitschland
hochdeitsch babbele sollt, un sie spreche
dann uff ehe Oort hunsbucklich-breseljonisch,
wie mer so sood un wisse net, dass
der deitsche Mann in Deitschland
ooch kei Hochdeitsch kann. So wie dohie die
Unnerschied sin vun Gaucho bis bei
der Nortiste hin, hot jere Gechend
ehre Dialekt un nore Studeerte
spreche perfekt. Der Bayer red grob
un sads vor de Bless, en s-ch fa ch
sprecht immer der Hess; der Schwob hängt
gere en le hinnedron, debei kimmt em net
uff en bissele oon. Do gebts
westfälisch un hamborcher Platt un rheinisch un pommrisch
un so fort. Warom solle mer
uns dohie scheneere un net meh
hunsbucklich konverseere? Warom nore immer
Witzche mache |